2017/09/25

Tag 58: Kiev - Warschau

 

Von Kiev will ich in zwei Tagesetappen nach Hause kommen. Das bedeutet, dass ich zumindest nach Lublin kommen muss, vielleicht - so meine Planung - sogar bis nach Lodz. Aber es steht ja auch noch mal ein Grenzübertritt an und man weiss ja nie, wie die so ablaufen. Die Fahrt bis zur Grenze zieht sich. Auch die Ukraine hat eine erhebliche Ausdehnung von Ost nach West, nicht nur Russland. Auch wird es zwischendurch dann doch ganz schön frisch, so dass ich zusätzliche Klamotten unterziehen muss. An einer Stelle regnet es sogar ein klein wenig und ich beginne mir wegen meines Hinterreifens Sorgen zu machen, einem TKC80, einem Stollenreifen, mit dem ich nun schon etliche Kilometer zurückgelegt habe und dessen Profiltiefe mittlerweile gegen Null geht. Nicht die ideale Bereifung bei Regen. Aber es bleibt dann doch trocken, so dass ich mir nur noch Sorgen wegen der Profiltiefe allgemein machen brauche ;-).

Auch hier klappt es wie schon bei den anderen Grenzübergängen zuvor, dass ich mein restliches Geld noch für Tanken oder ähnliches komplett ausgeben oder zumindest umtauschen kann.

Als Motorradfahrer fahre ich auch hier an der Grenze erst mal an allen anderen vorbei nach vorne. Zunächst ist das eine kilometerlange Lastwagenschlange am Straßenrand. Nicht zum ersten Mal bedauere ich die LKW-Fahrer, die diese Prozeduren über sich ergehen lassen müssen. Ich vermute, dass die hier tagelang an der Grenze rumstehen.

Aber ich fahre auch an den Autos vorbei und werde schnell in den Grenzbereich eingelassen. Die Zollbeamten machen sich hier - auch nicht zu ersten Mal - mal wieder etwas wichtig. Nein, ich habe keinesfalls mehr als 10000 Dollar bei mir. Aber er will meine Devisen sehen. Sei es drum. Kann er. Nachdem er gesehen hat, dass aus meinem Topcase nicht die Bündel Bargeld hervorquellen, ist er dann aber doch zufrieden gestellt und ich darf weiter zur Passkontrolle. Geht einigermassen gut voran. Weiter geht es an allen Autos mit größtenteils ukrainischen Kennzeichen vorbei auf die Extra-Spur für Bürger der europäischen Union. Dort ist nichts los. Nur ein polnisches Auto vor mir. Aber es tut sich gerade nichts. Keine Beamten für diese Spur zuständig? Der Autofahrer meckert mich an, als ich schaue, ob jemand im Kontrollhäuschen sitzt. Er und seine Frau sitzen seelenruhig Zeitung lesend im Auto und warten ab. Äh, nicht so ganz wie ich mir eine Grenzabfertigung für Leute mit dem richtigen Paß vorstelle. Dann aber kommt doch eine Beamtin, die auf einer anderen Spur gerade noch Ukrainer gefilzt hat und guckt in der Kofferraum des Wagens vor mir und fertig diesen ab. Von mir will sie nichts sehen. Es scheint doch tatsächlich noch etwas wie Vernunft bei Zollbeamten zu geben. So geht auch dieser letzte Grenzübertritt (hurra, ich bin zurück im Schengenraum!) einigermassen zügig. Mal nebenbei bemerkt: JEDEM, der mehr Grenzkontrollen in Europa will, empfehle ich DRINGEND Reisen in die von mir bereisten Länder zu unternehmen. Er wird relativ schnell von seinem Wunsch nach mehr Grenzkontrollen geheilt werden.

Lublin ist nicht sehr weit von der Grenze entfernt und ich bin noch früh dran, so dass ich entscheide, noch weiterzufahren. Leider hab ich aber Lodz nicht als Zielpunkt in mein Navi eingegeben, so dass ich spontan entscheide, es einfach "nach Hause" navigieren zu lassen. Eine Kontrolle der Route ergibt, dass diese über Warschau führt. Hmmh, dann noch die Entfernungsangabe 190 km bis Warschau auf einem Verkehrsschild. Ok, ich entscheide, dass ich über Warschau fahre und dort eine Unterkunft im Zentrum suche. Die Straße nach Warschau ist bei Lublin vierspurig ausgebaut, so dass ich denke, dass die 190 km schnell zu schaffen sind. Leider mündet der vierspurige Ausbau bald in eine Riesenbaustelle. Da die Polen allerdings die Geschwindigkeitsgebotsschilder nur im Sinne eines sehr vagen Anhaltspunktes interpretieren, komme ich doch recht zügig voran. Kurz vor Warschau halte ich an und recherchiere mit dem Mobiltelefon, das hier glücklicherweise wegen der neuen Gesetzeslage für Europa ohne Mehrkosten funktioniert, nach einem Hotel. Diese sind aber entweder sauteuer oder eben nicht im Zentrum. Also versuche ich es mal mit Airbnb. Da finde ich eher was. Und die (professionellen) Vermieter reagieren ausgesprochen schnell auf meine Nachfrage bezüglich eines sicheren Parkplatzes. Der eine Vermieter bietet mir sogar ein Upgrade auf eine zentralere und größere Wohnung zum gleichen Preis an. Ich sage zu. Er gibt mir auf Nachfrage auch die GPS-Koordinaten durch, allerdings muss ich selbst in die Wohnung einchecken, eine mittlerweile gängige Praxis bei vielen professionellen Airbnb-Vermietungen. Nun, das ist alles dann noch mal recht aufregend, da mitten in der Altstadt in den engen Gassen kurz vor dem Ziel mein GPS aufgibt und ich nach der richtigen Straße fragen muss. Dann Self Check-in in die Wohnung. Dann Parkplatzsuche. Wieder rumfragen. Aber alles klappt dann doch, aber ich bin durch und durch verschwitzt, da es in Warschau dann doch wieder etwas wärmer geworden ist als über den Tag über.

Nach der obligatorischen Dusche gehe ich um die Ecke in einem Restaurant essen und danach noch auf meinen üblichen Abendspaziergang durch die Stadt. Warschau ist recht schön und lohnt einen ausführlicheren Besuch. Die Gebäudesubstanz ist großartig, aber benötigt noch sehr viel Restaurierung. Viele Fassaden sind aus diesem Grund eingerüstet. Aber es erstaunt mich doch ein wenig, dass so viele Gebäude in einem recht ärmlichen Zustand sind. Ich hätte gedacht, dass Polen da schon erheblich weiter wäre. Aber man ist im historischen Zentrum schon voll und ganz auf die Bewirtung von Touristen eingestellt und so gibt es heute keinerlei Sprachprobleme zu bewältigen.