Mittwoch, 11.09.2013
Wir sind auch heute wieder mal früh aufgestanden und fragen an der Rezeption nach einem Frühstückslokal. Das nächste ist nicht weit weg, was gut ist, denn es regnet heute morgen und der Regen wird immer heftiger.
Das Frühstück an diesem Morgen entwickelt sich zu einer kleinen Anekdote (Titel könnte lauten: "Die Frauen von Foča"), an der wir viel Spaß haben. Das Lokal öffnet gerade, es ist 8 Uhr am morgen. Es liegt in einer Seitegasse. Ich frage die Kellnerin, die gerade die Tür aufschliesst, ob wir hier ein Frühstück bekommen können. Sie versteht mich nicht und ich sie auch nicht, dennoch gehen wir erst mal hinein, zumal hinter uns gleich zwei Frauen das Lokal gemeinsam betreten, die sich an einen Nachbartisch setzen.
Die Kommunikation mit der Kellnerin funktioniert gar nicht und auch das Menü gibt es nur in Landessprache, in einem für uns nicht entzifferbaren Alphabet, was uns nicht wirklich weiterbringt. Also mal wieder Plan B: Eine der Frauen, die mit uns das Lokal betreten hat, spricht ein wenig Englisch und so klappt das mit der Bestellung dann doch. Später kommt auch noch ein jüngerer Kellner, der ebenfalls ein wenig Englisch beherrscht. Auf diese Weise ist dann die Verpflegung doch wieder gesichert und die gebackenen Teigtaschen, die wir mit Marmelade bestreichen und den türkischen Kaffee dazu, finde ich persönlich gar nicht schlecht.
Während wir auf unser Frühstück warten betritt noch eine weitere junge Frau das Lokal, baut sich vor unserem Tisch auf und spricht mich an. Keine Ahnung, was sie sagt, auch unsere "Dolmetscherin" gibt uns keine interpretation. Als die junge Frau kapiert, daß wir nichts verstehen, dreht sie ab und setzt sich an einen noch freien Tisch. Nach und nach kommen noch mehrere junge Frauen in das Lokal und setzen sich an mehreren Tischen zusammen. Auch ein oder zwei Paare kommen herein, aber der Frauenüberschuß ist wirklich evident. Einige kurze verunsicherte Momente wissen wir nicht, ob wir hier denn richtig sind, geschweige denn, was hier los ist. Gehen hier in Foča die jungen Frauen morgens alle frühstücken? Oder ist das irgendein Vermitllungsbüro, von dem wir vielleicht lieber nicht so genau wissen wollen, was vermittelt wird.
Das Rätsel löst sich auf, als nach etwa einer halben Stunde zwei gesetztere Herren im Anzug hereinkommen und die vermutlichen Bewerberinnen an einem großen Tisch versammeln und dort ein Gespräch mit den jungen Damen führen.
Nun, wenigstens hat der Regen nach dem ausgedehnten Frühsück aufgehört. Der Rezeptionist des Hotels erzählt meinem Mitfahrer, daß er unsere Sitzbänke getrocknet hat. Netter Service, für den er natürlich ein Trinkgeld erhält.
Auch die Fahrt von Foča nach Sarajevo ist landschaftlich noch einmal sehr nett. Es geht immer wieder an Flußtälern entlang, enge Schluchten, manchmal durch Felsentunnel, dann wieder Ausblicke auf Berge. Aber wir haben uns in den letzten Tagen auch schon ziemlich satt gesehen an spektakulären Landschaften.
Es ist ganz gut, nun wieder mal in einer größeren Stadt anzukommen. In den Vororten sieht Sarajevo allerdings eher nicht so freundlich aus.
Wir fahren direkt ins Zentrum und sehen dort ein Hostel mit Touristeninformation und fragen nach einem privaten Zimmer zur Vermietung, möglichst mit einem Stellplatz für die Motorräder. Die Hostel-Chefin und Vermittlerin von Privatunterkünften hat ein Zimmer in 5 Minuten Gehentfernung für uns und wir können die Motorräder im Innenhof des Hostels abstellen. Ich gehe mit der Chefin das Zimmer anschauen. Es befindet sich in einer 3-Zimmer-Wohnung einer älteren Dame, die keinerlei Fremdsprachen spricht und zwei ihrer Zimmer an Übernachtungsgäste vermietet und davon vermutlich lebt.
Das Zimmer und das Bad sind sehr einfach, aber dafür soll es pro Person und Nacht auch nur 15 Euro kosten. Die Lage ist hervorragend zentral, gerade mal 5 Gehminuten vom Zentrum entfernt. Wir wollen 2 Nächte in Sarajevo bleiben.
Wir fahren mit unseren Motorrädern erst mal zur Wohnung und bringen unser Gepäck hoch in das erste Obergeschoß zu Hana, so heißt unsere Gastgeberin. Danach fahren wir zum Hostel, wo wir unsere Motorräder im Innenhof abstellen. Gerade kommt noch ein italienisches junges Pärchen mit dem Motorrad an. Wir helfen bei der Kommunikation mit der Hostel-Chefin und vermitteln sozusagen gleich noch das zweite Zimmer bei Hana, das ein Doppelbett bietet und so für die beiden paßt. Wir helfen ihnen, ihre Sachen in ihr Zimmer zu bringen und zeigen ihnen alles notwendige. Endlich kann mein Mitfahrer mal wieder richtiges Italienisch sprechen. Ich habe schon befürchtet, er hätte es verlernt, wo er mit mir doch immer Deutsch spricht.
Wir holen noch einmal Geld und ich gebe etwas Wäsche an der Rezeption des Hostels zum Waschen ab. Die stinkenden Socken und die Unterhosen sowie das Unterhemd für die Fahrt können gerne mal etwas frisch gemacht werden.
Im Innenhof des Hostels gibt es WIFI und dort sammelt sich auch das junge fahrende Volk aus aller Herren Länder. Zum ersten Mal höre ich dort seit Tagen auch mal wieder Muttersprachler Deutsch reden.
Wir gehen in das Restaurant "To be or not to be" essen, für das eine rundliche ältere Dame an diesem Tag zuständig ist, die auch etwas Deutsche spricht. Sie macht alles allein in der Küche und auch die Bedienung und wir essen bei ihr absolut vorzüglich. Das Rizotto negro, das ich bestelle, ist nicht besser hinzubekommen. Auch hier bekommen wir am Nebentisch italienische Tischnachbarn. Mein Mitfahrer ist wieder im Italienischen angekommen nach so langer sprachlicher Übermacht des Deutschen und Englischen, auch wenn er sich den italienischen Tischnachbarn erst beim Gehen als Italiener zu erkennen gibt.
Wir streifen in der Stadt umher und schauen uns die historisch bedeutsame Lateinerbrücke (Attentat in Sarajevo), die Haupt-Fußgängerzone, Häuser mit Einschüssen, Kirchen, Synagogen und natürlich Moscheen an. Irgendwann nehmen wir einen türkischen Kaffee, nichts, was ich wirklich wiederholen müsste, aber das Ambiente ist schon speziell. Neben dem Kaffee gibt es ein weiteres Etablissement, in dem man sich Wasserpfeifen bringen lassen kann. Sogar einige junge Frauen, schick gemacht und teilweise im islamischen Kleidungsstil, rauchen dort ihre Wasserpfeifen.
Nach einer kleinen Pause am Abend (mein Mitfahrer im Zimmer, ich im Hostel wegen des WIFI) machen wir uns noch einmal auf in die Strassen der Altstadt. Es wirkt hier nicht nur im Basarviertel alles recht orientalisch.
Überall sieht man adrette junge Frauen in islamischem Kleidungsstil, aber auch viele leger gekleidete. Auch die islamisch vornehm gekleidete Geschäftsfrau, die auf das Grundstück einer Moschee geht, ihren Terminplaner herauszieht und dann ihre Telefonate auf dem Mobiltelefon vor der Moschee erledigt, kann man hier beobachten. Sarajevo ist ein kultureller Schmelztiegel. Hier prallen Kulturen aufeinander. Kein Wunder, daß es hier zu einem Ausbruch von Gewalt kommen konnte, dessen Spuren auch heute noch zu sehen sind, jedoch nicht mehr in den Gassen der Altstadt. Dort hat die Geschäftigkeit schon längst wieder Einzug gehalten, die wohl hier schon immer war. Viele kleine Läden mit allerlei Nützlichem und Unnützem findet sich hier und natürlich kleine Restaurants ohne Zahl und Bars und Cafes in einer Menge, daß man sich fragt, wo in aller Welt all die Leute herkommen, die hier zu Gast sein sollen und in den meisten Fällen ja auch sind.
Am Abend fängt es leider an zu regnen, sehr bald auch heftiger und wir schlüpfen in einer der Bars unter. Der Regen hört aber nicht auf, so daß wir uns mit einem kleinen Zwischenstopp in einem Restaurant bald wieder zurück ins Zimmer aufmachen. Dennoch wird es nach Mitternacht bis wir in den Betten liegen.