Dienstag, 10.09.2013
Unser Fernziel für diesen Tag ist Sarajevo, wobei wir davon ausgehen, daß wir Sarajevo heute noch nicht erreichen werden. Dazu ist es von Rozaje aus doch etwas zu weit entfernt.
Zunächst gehen wir in unserem Hotel frühstücken, da das Frühstück im Preis enthalten ist. Natürlich sind wir auch hier die einzigen regulären Hotelgäste und haben schon die schlimmsten Befürchtungen, was das Frühstück angeht. Es wird dann glücklicherweise nicht ganz so schlimm. Die Atmosphäre ist jedoch schon sehr eigen. Wir vermuten, daß das Hotel irgendwie in der Hand der Mafia ist. Es laufen doch recht obskure Typen hier rum und hängen in der Bar der Hotels ab. Beim Bezahlen kann uns der Rezeptionist, der sehr offensichtlich nicht das hellste Licht des Ortes ist, das Geld nicht wechseln, und so kommt ihm der "Boss" zuhilfe, der dann den Geldwechsel inklusive Verbuchung der Hoteleinnahme in die eigene Brieftasche vornimmt. Vermutlich gehört ihm auch der 100000 Euro Range Rover auf dem Hotelparkplatz. Daß er diesen aber in der Hotellerie verdient hat, wagen wir bei der Belegung des Hotels doch ein wenig zu bezweifeln.
Zwar haben wir durch ein mühsam eingeleitetes Gespräch in Englisch unsere Frühstückbedienung etwas aufgetaut und herausgefunden, daß er sowohl Motorrad fährt, Kinder hat und daß darüberhinaus in Rozaje im Winter eine ganze Menge Schnee liegt, aber ob durch Wintersportler die Umsätze in diesem Hotel hoch getrieben werden? Naja!
Wir machen nach dem Frühstück bald auf den Weg. Wir fahren an einen Flußtal entlang durch schöne Landschaften.
Richtig spannend wird die Landschaft aber erst am Nachmittag, als wir das Naturschutzgebiet Durmidor erreichen.
Kurz vorher werden wir jedoch von einem montegrinischen Polizisten an die Seite gewinkt. Ich bin vorausgefahren und mir natürlich keiner wirklichen Schuld bewusst, außer vielleicht den üblichen 20-30 Kilometern, die wir zu schnell unterwegs sind. Aber gibt es da nicht einen Toleranzbereich? Nun ja, der Polizist ist alleine und er hat keine Geschwindigkeitsmeßanlage/-kamera oder so was bei sich und ich habe auch zuvor keine Geschwindigkeitskontrolle an der Straßenseite bemerkt. Ich denke also für meinen Teil, daß ich erst mal abwarte, was er zu sagen hat. Und er hat viel zu sagen. Selbstverständlich in seiner Sprache, warum sollte als Amtsautorität in eine Fremdsprache wechseln. Um sich allerdings doch irgendwie verständlich zu machen, hat er einen kleinen Schreibblock und einen Bleistift dabei. Zunächst schreibt er auf diesen Block die Zahl 50 mit der Einheit km und zieht einen Kreis darum. Auch wenn nicht generell eine Geschwindigkeitsbegrenzung von 50 Kilometern in Montenegro besteht, verzichte ich darauf, ihn in meiner Sprache darauf hinzuweisen. Immerhin bestünde die Möglichkeit, daß er doch Deutsch oder Englisch versteht. Lieber weiter freundlich bleiben und verständnisvoll nicken. Während er seinen Vortrag unvermindert fortsetzt, schreibt er noch die Zahl 80 mit der Einheit Euro auf seinen Block. Vermutlich will er mir bedeuten, daß wir bei Überschreitung der Höchstgeschwindigkeit von 50 km eine Strafe von 80 Euro zu entrichten haben. Er lächelt dabei freundlich. Ich denke so für meinen Teil: "Wenn Du von uns Kohle haben willst, dann nur gegen eine offizielle Quittung. So schnell werde ich nicht meine Geldbörse zücken!". Natürlich behalte ich diesen Gedanken geschickt für mich und lächle ihn mit meinem reinsten Unschuldslächeln an, das mir zur Verfügung steht. Das bringt mir noch etwas mehr montegrinischen Vortrag ein und ein noch breiteres Grinsen. Der freundliche Polizist tritt dann auf die andere Seite der Straße zurück und gibt uns mit der Hand ganz locker das Zeichen zur Weiterfahrt.
Hätte schon ganz gern gewußt, was er mir so erzählt hat ;-)
Das Naturschutzgebiet Durmidor zieht sich zunächst am im spektakuläreren Tal der Tara, einem Zufluß der Drina entlang.
An einem atemberaubenden Aussichtspunkt halten wir an. Dort treffen wir nach langer Zeit mal wieder andere Motorradfahrer. Das internationale Kennzeichen ist uns nicht ganz geläufig. "UA" steht für Ukraine, was uns der Fahrer einer der beiden Motorräder bestätigt. Wir plaudern ein wenig auf Englisch, was allerdings die Ukrainer nicht so besonders gut beherrschen. Das eine Pärchen will dann unbedingt noch ein Gruppenfoto mit uns vor ihrer Maschine machen. Ich komme mir schon ein bisschen wie in China vor, wo ich auch schon auf unzähligen Gruppenfotos verewigt wurde. Um es noch ein bisschen internationaler zu machen, werden ebenfalls anwesende Israelis gebeten, das Foto von der Gruppe zu machen. Ich drücke den Ukrainern meine Visitenkarte in die Hand, mit der Aufforderung, sie mögen sich gerne melden, wenn sie mal nach Deutschland kommen und der Hoffnung, daß sie mir das Gruppenfoto schicken. Ich bin gespannt! [Nachtrag vom 10.11.2013: Heute habe ich eine Mail vor Sergej erhalten, der mit das Gruppenfoto geschickt hat. Er hat in einer ukrainischen Motorradzeitschrift einen Artikel über ihre Reise veröffentlicht und darin auch die Begegnung mit uns geschildert. Es ist toll, dass sich Sergej jetzt noch gemeldet hat!]
Mit den 3 Israelis komme ich auch gleich auf Englisch ins Gespräch. Es handelt sich um einen Vater mit seinen beiden erwachsenen jungen Söhnen. Der Vater hat anscheinend auch schon in Deutschland gearbeitet, denn er erkennt, daß wir Deutsch miteinander reden. Ich führe ein Zeit lang eine angeregte Unterhaltung mit den Dreien über alle möglichen Themen. Sehr unterhaltsam, sehr schöne Reiseerfahrung.
Einige Kilometer weiter kommen wir auf eine Brücke über die Tara-Schlucht mit unglaublicher aber auf den Fotos kaum wiederzugebenden Aussicht. Wir fahren Hin- und Zurück über die Brücke und treffen auf der Hinfahrt die Ukrainer vor voher, die unsere beiden Motorräder bei der Überfahrt fotografieren. Ich halte an und habe sie noch nicht erkannt, da sie jetzt ohne Helm sind. Ich versuche noch mal zu sagen, daß sie uns die Fotos schicken sollen. Hoffentlich klappt es!
Weiter geht es auf eine Hochebene bei Žabljak. Von dort aus suchen wir den Zugang zu einem 20 minütigen Spaziergang auf einen Aussichtsfelsen mit Rundumpanorama, den Curevac, der sowohl den Blick ins Tal der Tara als auch den Ausblick auf das Durmitor-Massiv bietet. Zunächst verfahren wir uns, da wir einer Beschilderung zum Curevac mit gleichzeitigem Hotelhinweis nicht trauen. Der Weg, den wir wählen, führt jedoch in die Höhe und wir haben von dort auch schon einen atemberaubenden Ausblick.
Ein montegrinischer Radfahrer mit exzellenten Englisch-Kenntnissen kommt vom Berg die Straße herunter und wir fragen ihn, wo denn der Curevac sei. Er beschreibt uns den Weg und erzählt, daß er einem Freund gerade dabei behilflich ist, eine Hütte zu bauen und daß dieser Freund auch Motorradfahrer ist und wir sie gerne besuchen können auf einen Schnaps oder so. Wir treffen ihn bei der Fahrt nach unten noch mehrmals und er weist uns noch einmal den richtigen Weg. So finden wir endlich den Parkplatz, von dem aus man zum Curevac wandern kann. Am Parkplatz machen wir erst mal unsere Mittagspause. Auf der Fahrt haben wir uns mal wieder mit einem Imbiß eingedeckt.
So gestärkt schaffen wir die Wanderung zum Curevac locker in 20 Minuten. Hier hat man einen wirklich beeindruckenden Panoramablick auf das Tara-Tal einerseits, auf die Hochebene und das Durmidor-Massiv. Gestört wird das Panorama nur durch die unzähligen Mücken, die uns bald anfangen zu plagen.
Um 16:15 Uhr sind wir wieder zurück am Parkplatz und beschließen die Einladung zu der Hütte auszuschlagen und noch weiterzufahren, nicht ahnend, daß der Höhepunkt unseres heutigen Tages noch vor uns liegt.
Eine kleine einspurige Straße führt über die Berge und bietet eins ums andere eindrucksvolle Panoramen. Die Straße ist 33 Kilometer lang und jeder Kilometer voller unglaublicher Ausblicke auf Landschaften. Immer wieder denke ich, es kann doch nicht mehr viel mehr kommen, doch gleich darauf schon wieder ein sensationeller Ausblick. Wir geraten in einen Wahrnehmungsrausch und grinsen uns bei einigen wenigen Stops vor lauter Glück einfach nur an. Diese Straße ist ein wunderbarer Genuß.
Sogar Pferde, kleine Herden gar, laufen hier frei herum. Diese Landschaft scheint völlig aus der Zeit und der Welt gefallen.
Dann führt uns eine Serpentinenstraße abwärts, die immer wieder durch in die Felsen gehauene kurze Tunnel, oft nur Durchbrüche, hindurchführt, hinunter auf einen Stausee, der grünbläulich schimmert und an dem wir weitere 20 Kilometer nach Foča fahren werden.
Nach diesem Höhenflug ist die Ankunft in Foča eher ernüchternd, handelt es sich um einen recht häßlichen Ort, der mit einem noch in Bau befindlichen Hotel mit nagelneuen Zimmern und einem Aufzugsprovisorium aufwartet. Auch Frühstück gibt es keines, da das Restaurant erst noch ausgebaut werden muß. Auch hier läuft erst mal 5 Minuten kein warmes Wasser und wir scheinen wieder mal die einzigen Gäste.
Wir gehen in einem Restaurant (Mladic) essen, das mein Mitfahrer mit sicherem Gespür ziemlich direkt anpeilt. Dort essen wir vorzüglich. Satt und müde und glücklich von den wunderbaren Eindrücken dieses Tages fallen wir in die Betten.