Samstag, 07.09.2013
Nach einem Tag Pause vom Kurven fahren, setzen wir uns heute gerne wieder auf die Motorräder. Dennoch fällt der Abschied vom Strandleben ein wenig schwer.
Kurven soll dieser Tag noch etliche bringen. Wahrscheinlich ist es der Tag mit den meisten Kurven und definitiv den meisten Schaltvorgängen. Schon die Küstenstraße nach Süden in Richtung Sarandë ist sehr kurvenreich, doch nachdem ich in einer Kurve mal mit beiden Rädern ein wenig wegrutsche, ein wirklich unschönes Gefühl, bin ich eine Weile erst mal wieder etwas vorsichtiger. Wir machen einen kurzen Abstecher nach Sarandë hinein, aber es fällt uns nichts ins Auge, das ein Verweilen lohnt und wir haben heute noch einiges an Strecke vor uns und haben uns von einem deutschen Paar in Split sagen lassen, daß die Strecke, welche wir heute vor uns haben, zum Teil sehr schlecht sein soll.
Einen ersten Halt legen wir in der Nähe des Syri i Kaltër (Blaues Auge) ein, einer sehenswerten Kaarstquelle. In einer Gaststätte nehmen wir aber erst einmal ein leckeres Essen zu uns. Der Gastwirt ist ein ziemlich merkwürdiger Kauz, der die ganze Zeit Vogelstimmen und ähnliche Geräusche imitiert. Aber der Käse, den wir hier essen, und der Honig sind sehr lecker. Wir beschliessen, von dem Honig mitzunehmen und lassen uns etwas in Plastikflaschen abfüllen, da dies für uns sicherer und praktischer zu transportieren ist. Dummerweise handeln wir nicht vorher den Preis aus, so daß wir für jede Flasche 10 Euro bezahlen. Nun ja, aus Dummheiten kann man noch was lernen, oder?
Wir machen nach dem Essen mit gefüllten Bäuchen noch den Abstecher zum Syri i Kaltër (Blaues Auge). Für den Weg dorthin muss man einen kleinen Betrag Maut bezahlen. Ich glaube, es waren gerade mal 100 Lek für jeden, also etwa 70 Cent.
Es geht so etwas 2 Kilometer am See entlang, der durch die Quelle und ein Flüsschen gespeist wird. Am Ende der Straße gibt es noch einige Ausflugslokale. Von dort aus sind es noch 200 m zu Fuß zur Quelle, die wirklich eine beeindruckend schöne Farbe aufweist. Wollten wir nicht noch etliche Kilometer an diesem Tag fahren, hätten wir uns wohl in das einladend grünbläulich schimmernde Wasser gestürzt, denn in den Motorradklamotten sind wir wie üblich ziemlich am Schwitzen.
Auf der Weiterfahrt treffen wir auf der Strecke eine einzelne deutsche Motorradfahrerin, die uns erzählt, daß sie ihr Topcase verloren hat, was sie allerdings erst bemerkte, als sie umdrehen wollte, um nach ihrem Mann zu suchen, der noch irgendwo ein Foto machen wollte und länger nicht hinterherkam. Ich speichere ihre Telefonnummer und die ihres Mannes und wir versprechen auf der weiteren Fahrt nach dem Topcase Ausschau zu halten und sie zu informieren, sollten wir es finden. Ihrem Mann begegnen wir einige Kilometer später. Er war die Strecke ein Stück weit abgefahren, um selbst Ausschau nach dem verlorenen Topcase zu halten. Beim Aufschreiben meiner Reiseerinnerungen zu Hause schicke ich der Motorradfahrerin noch eine SMS, um nachzufragen, wie es ihr ergangen ist. Ihr Mann antwortet mir, daß es sich leider nicht mehr wiedergefunden habe. Glücklicherweise wären aber keine unwiederbringlichen Dokumente oder Dinge darin gewesen, die man nicht vor Ort irgendwie hätte besorgen können.
Die Strecke führt kurvenreich an einem Naturschutzgebiet entlang und biegt dann in Çarshovë nach Norden ab und führt über einen Pass, dessen höchsten Punkt wir aber nicht wirklich richtig wahrnehmen. Ob wir von den vielen Kurven oder den tollen Aussichten abgelenkt sind, wer weiß?
Wider Erwarten fanden wir die Strecke eher unproblematisch, aber wir haben eben auch die richtigen Motorräder, mit denen eine holprige Strecke durchaus Spaß macht. Nichtsdestoweniger muß man auf albanischen Straßen ziemlich aufmerksam sein, tauchen oft Schlaglöcher aus dem Nichts auf oder es gibt unasphaltierte Stellen hinter einer Kurve oder heftige Bodenwellen, die weder markiert noch wirklich erkennbar sind. Daher verwundert es auch nicht wirklich, wenn jemand auf dieser Strecke sein Topcase verliert. Auch mein Mitfahrer ist ein wenig verunsichert und ich fahre daher eine Weile hinter ihm her, um zu schauen, ob seine Koffer zu stark vibrieren oder nicht. Tun sie nicht. Entwarnung.
Glücklicherweise sind vor Korçë etwas weniger Kurven. Immer wieder wird jedoch unsere Fahrt durch kreuzende Viehherden oder durch langsam fahrende doch dafür wenig umweltverträgliche Gefährte Marke Eigenbau gebremst. Aber wir überholen auch mal einen Heuwagen, von dem uns freudlich lachende junge Mädchen zuwinken. Manchmal stehen auch kleine Jungs an der Straße und machen eine Gasgriff-Bewegung und lachen dabei. Die freundliche Ausstrahlung der Menschen an der Straße berührt uns schon immer wieder.
Kurz vor dem Einsetzen der Dämmerung kommen wir in Korçë an. Wir wollen jedoch noch weiter nach Voskopojë, da der italienische Reiseführer uns diesen Ort ans Herz gelegt hat und dort auch ein gutes Hotel empfohlen wird.
In der Dämmerung fahren wir auf der kurvenreichen Strecke der Sonne und Voskopojë entgegen. Auf dem Hauptplatz fragt mein Mitfahrer zwei junge Männer nach dem Hotel Pashuta und erhält zur Antwort, daß dieses geschlossen sei. Allerdings nennt uns einer von den beiden gleich eine alternative Übernachtungsmöglichkeit. Wir haben gelernt und lassen uns dieses Mal nicht verarschen. Der Versuch uns reinzulegen war einfach zu offensichtlich. Mein Mitfahrer fragt noch jemand anderen, wo das Hotel Pashuta zu finden sei und obwohl wir über eine etwas schmale und eher nach Feldweg aussehende Straße müssen, finden wir das Hotel oder Gästehaus auf Anhieb. Es war eine gute Idee, hartnäckig zu bleiben und das Hotel/Guesthouse Pashuta für die Übernachtung zu wählen, denn das Besitzerehepaar hat das Grundstück wirklich sehr schön angelegt. Im Garten sitzen an mehreren Tischen noch Wochenendgäste im Freien, größtenteils Familien. Wir brauchen eine Weile bis wir unsere Sachen verstaut und geduscht haben. Ein paar Mal fällt die Stromversorgung aus, aber als Camper hat man natürlich eine Taschenlampe dabei.
Natürlich gehen wir bei unseren Gastgebern essen. Der Teutone könnte sich das Abendessen unter freiem Himmel vorstellen, dem Italiener jedoch ist auch bei nach teutonischer Wahrnehmung angenehmen Temperaturen leicht fröstelich, so daß wir im Gastraum unser Abendessen zu uns nehmen.
Hatte uns bei der Ankunft bereits eine der Töchter des Hauses begrüßt und uns das Zimmer mit einem separaten Badezimmer (nur für uns) gezeigt, so bedient uns hier nun eine andere Tochter, die ebenfalls English und darüberhinaus aus Italienisch spricht. Auf diese Weise bekommen wir hier nicht nur ein wirklich leckeres Essen, sondern haben auch eine sehr angenehme Kommunikation mit den Kindern (es gibt noch eine Sohn, der ebenfalls English kann) unserer Gastgeber.
In den Gastraum kommen dann auch noch einige albanische Gäste zu Essen. Insbesondere einer der Gäste sucht die Kommunikation mit uns. Er ist Sportlehrer und Trainer für diverse Sportarten und behauptet, daß er früher auch als Sportler für Albanien gestartet ist und irgendwelche Nationalmannschaften trainiert hat. Sein Tenor ist, daß früher doch vieles besser war. So konnte er z.B. mit den ausländischen Gesandten in Tirana gemeinsam Joggen gehen. Auch schimpft er aus seiner Erfahrung als Lehrer (auch seine Frau ist Lehrerin, für Mathematik) auf die junge Generation, von der er nicht viel hält. Ich bin da ganz anderer Ansicht und versuche ihm diese auch nahezubringen, aber manche Leute sind halt ein bisschen verbohrt. Ein andere Albaner, der offensichtlich gemeinsam mit ersterem hier auf Erholungsurlaub ist, scheint eher der Vertreter des ungebremsten Kapitalismus zu sein, allerdings ist sein Englisch deutlich schlechter, so daß ich seine Bemerkungen oft nicht wirklich verstehe.
Wir versuchen dann auch mehr mit der jungen Bedienung zu sprechen, da diese wirklich sehr angenehm und offen wirkt. Auch die Eltern unserer Gastfamilie machen eine sehr freundlichen und angenehmen Eindruck, auch wenn eine direkte Kommunikation nicht wirklich möglich ist.
Wir sind im Verlauf unserer Reise immer wieder begeistert davon, welch weltoffenen jungen Leute wir treffen. Wir glauben beide, daß diese jungen Leute wirkliche Europäer oder gar Kosmopoliten sind und sie die Zukunft unserer Gesellschaften maßgeblich beeinflussen werden. Wenigstens hoffen wir das! Und im gleichen Gedanken hoffen wir auch, daß die Macht mafiöser Strukturen durch diese junge Generation durchbrochen wird. Wie heißt es so schön: Die Hoffnung stirbt zuletzt.