Sonntag, 08.09.2013
Am Morgen brechen wir langsam und gemütlich auf. Erst einmal nehmen wir ein leckeres Frühstück im Garten zu uns. Danach machen wir uns zu einem Spaziergang in Voskopojë auf. Das Dorf befindet sich deutlich im touristischen Aufbruch. Überall werden Häuser in alter Bauweise saniert und die Straßen werden mit Pflaster neu gemacht. Wir schlendern etwas herum und besuchen dann noch die Kirche St. Nikolaus (Shën Kolli). Es ist einer der schönsten Bauten, die wir in Albanien bisher gesehen haben. Bedauerlicherweise sind die Ikonenmalereien im Bogengang mit eingeritzten Graffiti übersäht. Hoffentlich haben die Einwohner irgendwann die Möglichkeit, die Malereien fachmännisch restaurieren zu lassen. Auch im Innern ist die Kirche sehr sehenswert.
Während mein Mitfahrer noch seine Sachen zusammenpackt, spreche ich noch länger mit der Tochter der Gastfamilie, die Wert darauf legt, sich von uns noch einmal persönlich zu verabschieden. Wir sind hier so freundlich aufgenommen und angenehm bewirtet worden, daß uns dieser Aufenthalt eine unvergessliche Erinnerung sein wird.
Anmerkung: Einige Jahre später besucht uns die Tochter der Gastgeber und wohnt bei uns einige Tage.
Auf der Fahrt nach Korçë kommen wir an einem sonntäglichen Viehmarkt vorbei. Jede Menge Zwei- und Vierbeiner sind unterwegs.
In Albanien sind Tiere als Transportmittel auf dem Land noch überall präsent. (Maul-)Esel als Reit- und Transporttiere, sowie Pferde als Zugtiere vor Karren sind sehr oft zu anzutreffen und auch auf den Straßen unterwegs. Kühe, Schafe und Ziegen sind auch direkt an der Straße freilaufend anzutreffen. Meist ist ein dann auch ein Hirte in der Nähe, der in höheren Regionen vermutlich auch in der Nacht in der Nähe seiner Tiere bleibt. Es handelt sich bei den Herden aber ausnahmslos um eine verhältnismäßig kleine Anzahl von Tieren. Bei Kühen sind es meist nur ein halbes Dutzend, höchstens ein Dutzend Tiere, bei Schafen und Ziegen ist die Anzahl der Tiere im Vergleich auch nur ein Bruchteil zur Herdengröße in Nordeuropa. Diese Hirten sind mit Sicherheit bettelarm und es wird ihnen kaum zum Leben reichen. Es macht uns wohlhabende Nordeuropäer schon recht betroffen, solche Menschen zu sehen, denen dennoch die Freundlichkeit uns gegenüber nicht abhanden gekommen ist.
Der Umgang mit Beförderungsmitteln ist sowieso ein anderer als in den nordeuropäischen Ländern. Da stehen schon mal mehrere Leute auf der Pritsche eines Lastwagens, nicht immer sind diese "sicher geschlossen". Man sieht auch immer mal wieder selbstgebaute Fahrzeuge. Eine öffentliche Zulassung kann man für solche Gefährte nicht erwarten. Auch aus diesem Grund ist im Verkehr in Albanien immer höchste Vorsicht geboten.
Bald bekommen wir auf der Fahrt von Korçë nach Pogradec den ersten Blick auf den Ohrid-See, dessen makedonische Seite mit Ohrid unser heutiges verhältnismäßig nah gelegenes Ziel ist, sind wir heute doch gerade mal knapp unter 100 Kilometer unterwegs.
Schon bald nach Pogradec kommen wir an die makedonsiche Grenze und fahren dann direkt durch bis nach Ohrid. Dort schauen wir, daß wir möglichst zentral die Motorräder abstellen. Kaum haben wir das gemacht, wird mein Mitfahrer schon von einem privaten Appartment-Vermieter angesprochen. Antonio, wie er sich später vorstellt, ist ein netter, freundlicher Typ, der uns auf dem Fußweg zum Appartment, das wir uns natürlich erst einmal anschauen wollen, eine kleine Tourismus-Führung auf Englisch durch Ohrid gibt. Das Appartment ist sehr groß und verfügt über ein Doppelbett und glücklicherweise auch eine Couch, so daß wir uns auch heute nicht ein Doppelbett teilen müssen.
Problem ist nicht zum ersten Mal, daß wir nicht genau wissen, wie wir mit den Motorrädern am besten zu den Parkplätzen des Appartments kommen sollen und wir nicht wollen, daß Antonio ohne Helm bei einem von uns mitfährt. In den Balkanländern ist das Fahren auf motorisierten Zweirädern ohne Helm noch weitgehend normal. Aber auch jetzt findet sich wieder eine Lösung. Antonio leiht sich kurzerhand von einem Freund ein Fahrrad und radelt dann zackig vor uns her. Da hat er am Sonntag dann doch wenigstens noch eine kleine sportliche Einlage absolviert. Antonio wohnt mit seiner Familie über dem Appartment und so komme ich sogar wieder in den Genuß von WIFI im Appartment.
Überhaupt WIFI/WLAN oder allgemeiner Internet: Viele der von uns besuchten Restaurants und Bars bieten selbstverständlich Internetzugang via Wifi. Man muss einfach nur die Bedienungen nach dem Netz fragen und am einfachsten diese dann das Passwort eingeben lassen. In den Hotels und Gästehäusern ist WIFI eigentlich auch Standard und selbst in den privaten Unterkünften klappt es manchmal damit. In einigen wenigen Fällen braucht man nicht einmal ein Passwort, um sich mit dem Internet zu verbinden. So konnte ich häufig mit Brigitte zu Hause per Google+ Hangout ein Videotelefonat führen. Das ist eine sehr angenehme Art der Kommunikation, weil man seinem Partner dann auch gleich was von dem zeigen kann, was man selbst um sich herum sieht, oder man sendet Kurznachrichten und Fotos über diesen Kanal. Außerem kostet diese Kommunikation nichts. Natürlich funktioniert auch Skype oder ähnliche Software.
Wir schlendern ein wenig durch die Gassen und suchen ein vom italienischen Reiseführer empfohlenes Restaurant bei der Kirche St. Sofia, in dem wir dann schließlich auch sehr lecker zu Mittag essen.
Da es noch recht früh ist, haben wir etwas Zeit für den Strand eingeplant. Der Teutone muß sich natürlich in das recht frische Seewasser stürzen. Der Italiener beläßt es bei einer Erfrischung der Beine. In der Sonne entspannen wir einfach noch eine Weile.
Danach machen wir uns auf zur Besichtigungstour in und um Ohrid. Wir spazieren zur wunderschön gelegenen Kirche des Heiligen Johannes von Kaneo und verbringen dort die Zeit bis zum Sonnenuntergang. Dort endlich treffe ich auch auf einen Chinesen mit dem ich etwas Chinesisch zu sprechen versuche. Mein Mitfahrer wollte die ganze Zeit schon mal hören, wenn ich Chinesisch mit jemandem spreche. Aber bisher habe ich noch keine Chinesen auf unserer Reise ausfindig gemacht. Der Chinese, den wir hier treffen, ist jedoch ein Individualist in mehrerlei Hinsicht. Er antwortet mir auf meine chinesischen Fragen immer auf Englisch, was für mich auch in Ordnung ist, immerhin ist er im Ausland und möchte daher vielleicht seine Fremdsprachenkenntnisse verbessern. Ich komme ihm entgegen und unterhalte mich weiterhin mit ihm auf Englisch. Er ist aus Shanghai und scheint öfter in den Ländern des Balkans oder gar ganz Europas unterwegs zu sein. Dann nutzt er die Wochenenden, um Plätze zu besuchen, die für ihre Sonnenuntergänge berühmt sind. So hat er einmal 5 Flüge und mehrere Fähren für einen dreitägigen Ausflug nach Santorini auf sich genommen, um den dortigen weltberühmten Sonnenuntergang zu fotografieren. Auch hier wartet er auf den Sonnenuntergang, der auch wunderschön ist und von dem auch ich einige Fotos mache, bei weitem aber nicht so ambitioniert wie der junge Chinese.
Wir gehen noch zur Klosterkirche St. Kliment und Panteleon und dem Ausgrabungsareal um die Kirche herum, in denen einige alte Mosaiken zu sehen sind. Unser nächtlicher Spaziergang führt uns auch noch am antiken Theater vorbei, die Burganlage allerdings suchen wir nicht mehr auf, denn wir verspüren bereits wieder Appetit.
Auf der Suche nach einem Restaurant setzen wir uns erst in eine Pizzeria. Aber mein italienischer Begleiter liest auf der Menükarte, daß auf den Pizzen hier Ketchup zum Einsatz kommt. Da ich meinen Reisebegleiter und seine kulinarische Bedürfnisse nun schon ein wenig kenne und seine Äußerungen zu interpretieren weiß, begreife ich schnell, daß die Verwendung von Ketchup auf Pizzen für einen Italiener eine der Todsünden ist und so ergreife ich die Initiative zur Flucht und wir entscheiden, noch einmal das Lokal vom Mittagessen zu besuchen, da es uns dort sehr gut geschmeckt hat und es unserer Erinnerung nach noch interessante Gerichte gibt, die wir dort noch ausprobieren wollen.
Am Abend frischt der Wind deutlich auf und wir frösteln ein wenig. An der Küste war es doch ein weing wärmer. Dennoch fallen wir spät am Abend wieder einmal satt und zufrieden und voller Eindrücke in die Betten.