Sonntag 01.05.2016

Von Peshkopia nach Kukës

 

Am Morgen beschliessen wir wegen der schlechten Wetterprognosen auf die geplante Tour von Süden nach Norden durch den Parku Kombëtar Lurë nach Fushë Lurë zu verzichten. Wir fahren auf einer Nebenstraße direkt Richtung Norden und bekommen dann auch noch ein Stück gut zu fahrender offroad-Strecke, auf der ich das erste Mal mit dem Motorrad einen, zugegebenermaßen kleinen, Drift wage. All die Superprofis da draußen werden sich jetzt totlachen über einen solchen Anfänger! Mir egal!

Der erste beabsichtigte Drift meines Lebens auf dem Motorrad.

Da wir die Strecke nach Kukës schon um die Mittagszeit bereits zu 2/3 hinter uns gebracht haben und bisher der angekündigte Regen ausgeblieben ist, beschliessen wir eine im Motorradtourenführer von Markus beschriebene offroad Tour zu fahren. Ich programmiere diese mit Basecamp auf meinem MacBook auf dem Motorradsitz. So sieht also heute Routenplanung unterwegs aus.

Die Strecke ist nicht ganz ohne. Mir wird auf jeden Fall wieder ziemlich schnell heiß und ich schwitze wahnsinnig. Es geht einen recht steinigen und felsigen Weg den Berg hinauf. Bald wird es auch recht frisch und die Schneegrenze rückt schnell näher. 

Der Abstecher in die Berge endet im Schnee.

Hier oben ist es auch schon wieder sehr viel einsamer. Immer weiter kommen wir an die Schneegrenze heran und plötzlich in einer schattigen Kurve an einem recht steilen Hang, liegt der Schnee über den gesamten Weg. Wir könnten vielleicht uns gegenseitige unterstützend über dieses Schneefeld durchkommen, doch wissen wir nicht, ob uns nicht noch mehr davon erwarten. Zudem verschlechtert sich das Wetter zunehmend. Wolken ziehen hier durch und vernebeln den Weg. Wir beschliessen umzukehren, denn wir müssen nicht unbedingt hier durch.

So fahren wir die Strecke wieder zurück und bekommen dabei schon einige Tropfen Regen ab. Bis nach Kukës ist es nicht mehr sehr weit und wir steuern das Amerika Hotel an, dass wir uns vorher ausgeguckt hatten. Eine gute Wahl. Da es noch früh ist und das Wetter nicht schlecht, beschliessen wir, einfach unsere Koffer in der Garage des Hotels zu lassen und die Sachen, die wir brauchen aufs Zimmer bringen zu lassen und machen uns auf, die Runde, die wir zuvor abbrechen mussten, noch von der anderen Seite zu fahren. Mal schauen, wie weit wir dort kommen.

Die Strecke ins Tal hinein nach Shishtavec ist hervorragend asphaltiert. Dort hört die Straße aber auf. Wir überlegen auf dem Hauptplatz gerade, was wir nun tun sollen und werden, wenn auch eher zurückhaltend, von den Einheimischen hier angesprochen. Ein etwas älterer Mann lädt uns ins Café ein. Ein jüngerer Mann übersetzt die Einladung ins Englische für uns. Spontan entscheiden wir uns, die Einladung anzunehmen. Das Wetter zieht weiter zu und wir hatten ja schon unsere tägliche Dosis offroad, müssen also nicht unbedingt noch weiter.

Es ist schon bedrückend zu sehen, wie die jungen Leute hier so gar keine Lebensperspektive haben.

Mit dem älteren Herrn können wir uns leider nicht direkt verständigen aber glücklicherweise ist auch unser "Dolmetscher" mit seinem Freuind ins Café gekommen und wir von unserem Gastgeber mit an den Tisch gebeten und ebenfalls eingeladen. Wir bekommen Café und Wasser hingestellt und unterhalten uns so gut es geht mit unseren neuen Freunden. Es ist eine sehr ausgelassene und freundliche Stimmung. So erleben wir die Menschen in Albanien immer wieder. Unser Dolmetscher sagt, dass der Sohn des älteren Herrn in Hamburg arbeitet. Unser Dolmetscher selbst war ebenfalls auf Asyl in Deutschland, mit der gesamten Familie, wie er uns erzählt und ist erst vor kurzem wieder zurückgekehrt. Seine Familie hat noch keine neuen Tiere angeschafft, aber es gibt hier oben nichts anderes zu tun, als Tierzucht zu betreiben. Es ist schon bedrückend zu sehen, wie die jungen Leute hier so gar keine Lebensperspektive haben. Sie können oft passabel Englisch und machen einen durchaus gut gebildeten Eindruck. Sie kennen die Verhältnisse auf der Welt durch ihre Mobiltelefone und Smartphones. Im Ausland haben sie keine legale Perspektive, den es ist kein politisches Asyl, das sie dort suchen, es ist "nur" ein wirtschaftliches Motiv, das sie dazu bringt, es überhaupt im Ausland zu versuchen. Wer kann es ihnen verübeln? Welche Perspektive wird ihnen denn hier im eigenen Land geboten?

Welche Perspektive wird jungen Leuten denn hier im eigenen Land geboten?

Wir verabschieden uns von unseren neuen Freunden mit einem gemeinsamen Foto und ich schließe mit unserem Dolmetscher und seinem Freund über Fadebook Freundschaft, um ihnen später die Fotos zukommen zu lassen. Das soll mir für den betreffenden Post in Facebook so viele Likes bescheren, wie ich für noch keinen anderen Beitrag bekommen habe. Die Freunde meiner Freunde sitzen ebenso wie diese den ganzen Tag größtenteils irgendwo herum, vor Cafés oder sie passen auf ihre Tiere auf, und haben dabei nicht viel mehr zu tun als mit ihren Mobiltelefonen Nachrichten auszutauschen. Tja, auch das sind Nebenwirkungen der Globalisierung mit ihrem Trend zur Vernetzung überall und jederzeit.

Auf der Rückfahrt erwischt und nun der Regen voll. Nun ja, wir wissen, dass es nicht so weit nach Kukës ins Hotel ist und dass die Straße in sehr gutem Zustand ist. So können wir bald eine warme Dusche nehmen und geniessen das vorzügliche Essen im Restaurant des Hotel Amerika. Die Bedienung ist sehr aufmerksam und überredet uns so viel zu essen, dass wir beinahe platzen und nach dem obligatorische Raki noch einen Verdauungsspaziergang im Ort machen. Nicht allzu viel zu sehen hier, aber gerade geht es uns auch nur um die Bewegung, sonst können wir mit den vollen Mägen nicht schlafen. Es fängt aber schon wieder an zu regnen und so flüchten wir uns dann doch auf unser Zimmer.