Mittwoch 27.04.2016
Von Shkodra nach Krujë
Unser erster ganzer Tag in Albanien und wir wollen natürlich tun, was wir uns für diese Tour vorgenommen haben: Offroad-Strecken fahren. Wir sind gespannt, was uns dieser Tag bringen wird.
Das Frühstück im Kaduku ist erfreulich gut. Nach dem Frühstück gehe ich erst in der Wechselstube in der Nähe Geld wechseln. Beeindruckend wie der Geldwechsler 42000 Lek für meine 300 Euro per Hand durchzählt. Wir sind beide nicht hinterhergekommen, aber haben das Gefühl, dass es schon stimmen wird. Hier kann man sich noch vertrauen!
Danach gehen wir noch in den Vodafone-Laden, den man uns im Hotel genannt hat. Es gibt gerade ein Sonderangebot für eine einmonatige SIM-Karte mit 20 Minuten Telefonie ins europäische Ausland, 200 Minuten Telefonie in Albanien und 2GB-Datenvolumen für sage und schreibe unter 5 Euro. Tja, solche Preise möchte ich gerne mal bei uns haben! Nach Vorlage meines Ausweises geht der Austausch und die Aktivierung der Karte Ruckzuck über die Bühne und schon kurze Zeit später sind wir wieder im Hotel.
Da wir von Hotelangestellten gehört haben, dass auf dem Pass zum Theth-Tal noch Schneel liegt und die Wettervorhersagen für den Norden auch nicht so besonders sind, haben wir uns überlegt, Richtung Burrel zu fahren, auch wenn dort nichts besonders ist und auch die Hotels dort nicht so toll zu sein scheinen. Wir wollen einfach schauen, wie weit wir kommen werden. Das hängt natürlich von der Beschaffenheit der offroad-Strecken ab und wie wir damit klarkommen.
Die ersten 35 Kilometer sind wir noch auf Asphalt unterwegs. Dann geht ein Schotterweg von der Straße ab. Der gehört uns. Endlich ist es so weit. Nach einigen Kilometern windet sich die Strecke abwärts in ein Tal. In der Ferne sehen wir ein ziemlich ausgewaschenes Tal, durch das wir hoffentlich nicht müssen, da es ein wenig überflutet scheint.
Nach etwa 40 Minuten mit circa 9 zurückgelegten Kilometern kommen wir an einer Brücke an, die leider nur teilweise existiert. Die Fundamentsockel auf beiden Seiten warten noch auf die Brücke und vermutlich werden sie das noch eine Weile tun.
Eine Anwohnerin in Sichtweite bedeutet uns, dass der richtige Weg auf der anderen Seite ihres Hauses verläuft, mitten durch den Fluß. Hmmh, haben wir uns das so vorgestellt mit dem offroad fahren?
Der Fluss ist nicht sehr tief. Wir suchen die nächste Ausfahrt auf der anderen Seite. Dort geht ein Weg in Richtung eines Hügels. Wir können zwar keinen Parallelweg am Hügel entlang erkennen, gehen aber davon aus, dass es dort einen geben muss. Wir prüfen die Wassertiefe und die Beschaffenheit des Untergrunds. Größtenteils Kiesel, insbesondere aber in der Nähe der Ausfahrt auch grobe Steine.
Merke: Wenn Du eine Ausfahrt aus dem Fluss suchst, dann prüfe vorher, dass diese Ausfahrt auch irgendwohin führt!
Für Markus und mich ist es die erste größere Flußquerung und so gehen wir das vorsichtig an. Erst mal die Koffer/das Gepäck runter von den Motorrädern. Meine Dicke muss als erste durchs Wasser. Markus soll stabilisieren. Die ersten 30 Meter geht aber prima zu fahren, so dass ich Markus abhänge, der nur noch "nicht so schnell!" rufen kann. Zur Ausfahrt hin wird das Unternehmen etwas schwieriger, aber es gelingt uns ohne größeres Straucheln meine Dicke sicher ans Ufer zu bringen. Auch Markus schafft die Querung ohne weitere Probleme. Jetzt noch die Koffer und das Gepäck nachholen. Alles wieder ans Motorrad. Weiter geht es. Nun ja, nur bis ans Ende des Feldweges, der dort aufhört. Anfängerfehler! Merke: Wenn Du eine Ausfahrt aus dem Fluss suchst, dann prüfe vorher, dass diese Ausfahrt auch irgendwohin führt!
Ein junger Mann kommt vom Haus am Hügel zu uns herunter. Glücklicherweise spricht er so gut Englisch, dass wir uns mit ihm verständigen können. Er sagt uns, dass wir noch weiter den Fluß entlang fahren müssen. Es gibt leider keine Alternative. Die wirkliche Ausfahrt ist erst ca. 50 Meter weiter den Fluss abwärts. Er zeigt uns die Ausfahrt und wir schreiten den Fluß ab. Leider ist dieses Stück jetzt doch durchgehend steiniger, in etwa so wie in der Nähe der ersten Ausfahrt. Aber es erscheint uns machbar.
Also wieder Koffer/Gepäck runter. Unser junger Helfer bietet sich an, unsere Koffer über einen Weg am Ufer entlang (den man allerdings nicht mit den Motorrädern befahren kann) zur Ausfahrt zu tragen. Wir stürzen uns wieder ins den Fluß. Nun haben wir ja schon etwas Übung. An ein paar Stellen hängt man zwar, aber wir bekommen es zu zweit ganz gut hin unsere Motorräder wieder ans Ufer zu bringen. Mittlerweile haben wir natürlich schon etwas mehr Publikum. Drei weitere Jungs sind jetzt auch da (vermutlich über SMS unserem Helfer informiert) und die Nachbarin gegenüber will natürlich auch wissen, woher wir eigentlich kommen.
Gefragt, woher er denn so gut Englisch könne, berichtet unser Helfer, dass er ein halbes Jahr in Deutschland war, auf "Asyl" und dass er zurückgeschickt wurde. Das werden uns im Laufe der Reise noch viele junge Männer erzählen. Sie tun das aber ohne jeglichen Groll. Sie sind Deutschland oder den Deutschen nicht nachtragend, dass sie zurückgeschickt wurden. Sie finden Deutschland dennoch gut und heissen uns herzlich willkommen. Ich finde das wirklich erstaunlich.
“We are in Albania, you know.”
Mit Markus verständige ich mich, dass wir unserem Helfer ein wenig Geld für seine Unterstützung geben. Ich drücke ihm eine Lek-Schein in die Hand. Ich möchte nicht, dass die anderen davon zu viel Kenntnis nehmen. Er schaut mich verständnislos an und ich erkläre, dass wir ihm etwas für seine Hilfe mit den Koffern geben wollen. Wer schon mal die schweren Koffer 50 Meter weit getragen hat, weiss, dass das keine Kleinigkeit ist. Er will das Geld nicht annehmen. Ich muss ihn richtig überreden. Dafür will er uns aber noch zum Wasser, Kaffee, irgendwas einladen, doch wir lehnen ab. Wir wollen weiter. Immerhin haben wir noch geschätzte 30 Kilometer offroad-Strecke vor uns. Zwar haben wir nun die Auskunft, dass es keine weitere Flussüberquerungen ohne Brücke geben soll, aber wer weiss, was uns noch für Unwägbarkeiten erwarten.
Abschließend fragen wir unseren jungen Helfer, warum die Brücke denn nicht fertig gebaut wurde. Er antwortet nur: "We are in Albania, you know."
Auf den folgenden 32,5 Kilometern offroad können wir glücklicherweise etwas entspannen. Die Flußüberquerung war doch ganz schön aufregend, so sehr, dass wir keine "live"-Dokumentation gemacht haben. Aber der Rest der Strecke hält keine größeren Herausforderungen bereit.
Wir beschließen in Rrëshen nach den Anstrengungen und Aufregungen des Tages eine wohlverdiente Mahlzeit einzunehmen. Wir fahren ein wenig kreuz und quer durchs "Zentrum" des Ortes und stellen dann die Motorräder in der Nähe eines Lokals ab, das uns wie ein Restaurant erscheint.
Wir sind noch beim Abstellen, als uns 3 junge Männer ansprechen, d.h. eigentlich nur einer von den Dreien, der sehr gut Englisch spricht. Er fragt mich, ob er mich etwas fragen darf. Nun hat er ja eigentlich schon und da ich ja der Kommunikation nicht abgeneigt bin, bejahe ich. Er möchte gerne wissen, was mein Motorrad denn kosten würde. Ich kläre ihn erst mal darüber auf, dass mein Motorrad schon 13 Jahre alt ist und ich nicht so recht wüsste, was es heute wert wäre. Über den Neupreis will ich hier echt nicht reden. In Albanien begegnet uns so viel Armut, dass es schon ein wenig pervers erscheint, was wir hier eigentlich machen. Allerdings muss man auch anmerken, dass es viele reiche Albaner gibt, zumindest wenn man dies nach den Reichtum nach den gefahrenen Autos beurteilen kann. Da gibt es viele dicke Karren, die sich auch in Deutschland nicht so viele Leute leisten können.
Aber auch ich habe eine Frage an den jungen Mann: "Wo können wir hier denn etwas essen?". Er bedeutet uns, mitzukommen und so gehen wir um ein paar Häuserecken und stehen dann vor einem Lokal. Anscheinend ist hier gerade eine Beerdigungsgesellschaft zusammengekommen. Wir zögern, wollen nicht stören. Unser Begleiter sagt, dass er mal nachfragt im Restaurant und kommt sogleich zurück mit der positiven Antwort. Die Beerdigungsgesellschaft ist nicht in dem Restaurant, sondern in einem Saal daneben zusammengekommen.
Die drei Jungs verabschieden sich von uns und freuen sich darüber uns geholfen zu haben. Es ist ihnen selbstverständlich, geholfen zu haben. Wirklich toll. Wir werden immer wieder die Erfahrung machen, dass uns die Menschen in Albanien völlig erwartungsfrei helfen. Und zwar jeder, den wir fragen. Ich möchte nicht die Hand ins Feuer dafür legen, dass das Ausländern in Deutschland auch so geht!
Das Restaurant hat eine kleine Küche und eine solide Essensauswahl und wir hätten niemals von alleine hierhergefunden. Die Pasta, die wir zusammen mit einer großen Flasche Wasser bestellen, sind vorzüglich und machen satt. Die Rechnung macht uns fassungslos. Wir zahlen gerade mal 5 Euro.
Beim Essen beschliessen wir, dass wir nicht nach Burrel weiterfahren. Es ist schon drei Uhr am Nachmittag und die Strecke dahin ist eventuell in schlechtem Zustand, befürchten wir (ist wohl unbegründet). Ich schlage vor, dass wir nach Krujë fahren, wo ich bereits 2013 war. Dort weiss ich ein gutes Hotel und der Ort ist sehenswert. Wir nehmen den schnellsten Weg (62,5 km) dort hin und kommen so gegen 4 Uhr am Nachmittag dort an.
Das Hotel Panorama (bestes Haus am Platz!) hat ein freies Zimmer für uns, sogar mit Blick auf die Burg (Kalaja). Wir schaffen es gerade noch rechtzeitig die Burg zu besuchen, die auch schon deutsche und weltweite Persönlichkeiten angeschaut haben, wie uns der Ticketkontrolleur erzählt, mit dem wir etwas ins Gespräch kommen. Die Burg beherbergt das Skanderbeg-Museum und ist so eine Art Nationalheiligtum in Albanien.
Zum Abendessen bleiben wir im Hotel Panorama. Man kann sich in Krujë wohl kaum besser verpflegen.