Donnerstag 05.05.2016

Von Berat über Përmet nach Voskopoja

 

Da sich bei Markus noch keine Besserung abzeichnet, beschliesse ich, heute noch etwas weiter nach Süden zu fahren. Dazu habe ich mir zwei alternative Routen in Basecamp erstellt. Bei der ersten steht zu vermuten, dass diese sehr viel offroad verläuft, aber ich konnte am Vortag von den Einheimischen hier im Hotel nicht wirklich solide Auskünfte über die Verhältnisse der beiden Routen erhalten. Das ist hier in Albanien übrigens häufig so. Man sollte sich nicht zu sehr auf die einheimischen Auskünfte verlassen, wenn man sich nicht eindeutig seines Gegenübers sicher ist.

Das Frühstück im Hotel ist super und nachdem ich mit zwei Französinnen unterhalten habe, die auch im Hotel übernachtet haben, mache ich mich auf den Weg. Zunächst versuche ich mich an der ersten Strecke und komme schon bald auf eine gute ausgebaute Schotterpiste. Diese Schotterpisten machen mit meiner Dicken richtig Spaß. Darauf fährt meine Maschine wie auf Schienen. Man fühlt sich keinen Moment unsicher. Bald soll aber meine Route abzweigen und ich brauche nicht lange, um zu entscheiden, dass das nichts für mich ist. Der Abzweig steht ziemlich unter Wasser und verspricht nun Matsch. Nö, das muss ich nicht haben! Ich fahre noch ein wenig weiter auf der Schotterstrecke, da ich von dort einen schönen Blick auf die naheliegenden Berge bekomme, kehre dann aber wieder zurück. Variante 2 soll es für heute werden.

Diese Strecke ist asphaltiert und schlängelt sich am Fluß Osum an einem Tal und später dann an einer Schlucht, eher schon einem Canyon(Albanisch: Kanioni i Osumit) entlang, wo es immer eindrucksvollere Aussichten zu geniessen gibt. In einer Kurve an einer Senke hinunter zum Canyon sehe ich einen Parkplatz, auf dem gerade drei Leute aus einem Auto aussteigen. Dort scheint es einen angelegten Ausflugsplatz zu geben und ich entscheide mich, mir das mal genauer anzusehen und stelle mein Motorrad ab und gehe den drei Leuten hinterher, die einen Pfad hinein in die Schlucht beschreiten.

Der Weg ist wirklich beeindruckend. Über einer aus dem Felsen gewaschenen Rampe geht es in die immer enger werdende Schlucht hinein, wo eine kleine Brücke auf die andere Seite zu einem steilen Weg hinauf führt. Das wäre sicher eine nette Wanderung, aber nicht in Motorradklamotten an einem recht warmen Tag.

Mit den drei Leuten, die ich fälschlicherweise zunächst für einen Familie halte, komme ich ins Gespräch, da ich darum bitte, dass sie ein Foto von mir machen. Darauf entwickelt sich wieder mal ein angeregtes Gespräch und eine ganze Fotosession. Ich erfahre, dass der Mann als freier Journalist arbeitet und vor Jahren auch gelegentlich beruflich in Berlin war. Schade, dass nicht wirklich mehr Zeit ist, denn gerne würde ich mich mit ihm über Albanien und seine Sicht der Dinge unterhalten. Ein Journalist hat sicher tiefere Einblicke in die Gesellschaft und weiss einiges zu berichten. Sein Neffe, wie sich später herausstellen soll, bedient meine Kamera und spricht ganz gut Englisch. Ich mache ein Selfie mit ihm, während seine Mutter, die Nichte des Mannes, sich eher besorgt darüber zeigt, dass wir nicht zu weit den Wanderweg hinaufgehen sollen.

"My name is name (naim)"

Der Mann gibt mir noch seine Mailadresse, damit ich ihm die Fotos zusenden kann, was ich auch noch am selben Abend machen werde. Daraufhin schliessen wir auch auf Facebook Freundschaft und Naim Zoto ("my name is name=naim"), verfasst schon am nächsten Morgen einen - so weit ich es aus der Google-Übersetzung beurteilen kann - Beitrag auf Facebook über die Begegnung mit dem Deutschen in der Schlucht.

Im Süden öffnet sich der Canyon dann zu einem See, an dem plötzlich auch meine Route von einer asphaltierten Strecke in einen Feldweg übergeht. Ich frage einen Schafhirten am Rande des Weges, ob das die richtige Richtung ist und er bejaht. Hmmmh. Ich habe ja versprochen, dass ich mich alleine nicht zu sehr auf Wagnisse einlasse, aber mal schauen, wie der Weg sich entwickelt, kann ich ja mal. Am See sehe ich ein Auto und einen Camper parken und auf dem Weg kann ich frische Wagenspuren erkennen. Das ist aber auch genau das Problem hier, denn es ist hier immer mal wieder etwas matschig und das ist was, womit ich mit meiner Dicken nicht besonders gut klar komme. Aber so schnell bange werden, zählt nicht. Also ein bisschen weiter muss ich schon probieren und die matschigen Stellen sind noch recht gut zu überwinden. So fahre ich also Kilometer um Kilometer und werde durch eine eindrucksvolle Landschaft belohnt. Bald habe ich ein Viertel, dann ein Drittel der Strecke geschafft. Es ist sehr einsam hier, aber es sind noch Fahrspuren zu sehen, so dass ich mich weiterzufahren traue. Bald kommt auch eine Siedlung. Na gut, selbst wenn mein Moped jetzt schlapp macht, ich werde nicht mehr als 5-10 Kilometer zu Laufen haben, um Hilfe zu holen. Dann bei etwa der Hälfte der Strecke komme ich an einem leeren Polizeiauto, einem 4WD-Fahrzeug, vorbei. Nun, was soll mir hier passieren, wenn sogar die Polizei hier patroulliert. Ich bin nun entspannt und sehe bald auch einen der obligatorischen Daimler ein ziemliches Stück vor mir in die gleiche Richtung fahren. Auch wenn sich jetzt die vielen Superprofis wieder mal totlachen: Mich macht es ziemlich stolz, das erste Mal alleine eine Strecke offroad (ca. 25 km) gefahren zu sein!

Mich macht es ziemlich stolz, das erste Mal alleine eine Strecke offroad gefahren zu sein!

Im Süden stoße ich auf eiine Strecke, die ich schon 2013 gefahren bin. Ich muss mich nun entscheiden, wohin es weiter gehen soll. Es ist etwa halb Drei und ich beschliesse, dass mir die Zeit reicht, die mir von 2013 bekannte schöne Strecke im Südosten Richtung Korça und vielleicht noch weiter nach Voskopoja zu fahren, wo wir schon 2013 im Gästehaus Hotel Pashuta übernachtet haben.

Die Fahrt über diese Strecke ich so schön, wie ich sie von damals in Erinnerung habe.

Die letzten 20-30 Kilometer vor Korça ist eine Schotterpiste. Es wird gerade gebaut. Gerade? Hmmh, ich weiß nicht genau, vielleicht war das auch schon vor drei Jahren eine Baustelle?

Da ich noch recht früh dran bin, entscheide ich mich nach Voskopoja zu fahren, wo wir auch schon 2013 übernachtet haben. Ich fahre dort direkt zum Gästehaus Hotel Pashuta, wo die Gastgebermutter gerade im Hof arbeitet. Die Saison hat auch hier noch nicht wirklich begonnen und der Sohn der Familie erzählt mir, dass zur Zeit eher nur albanische Wochenendgäste kommen würden. So bin ich der einzige Gast.

Es ist verdammt kühl in Voskopoja, aber man ist hier ja auch schon in einer gewissen Höhe. Nach dem Abendessen, dass ich im Aufenthaltszimmer in Gesellschaft von zwei Schwalben verbringe, die entschlossen haben, im Zimmer selbst ihr Nest zu bauen und die man aufschreckt, wenn man das Haus betritt oder verlässt. Ich geniesse es durchaus auch alleine unterwegs zu sein, aber an einem so beschaulichen Ort ist es dann doch beinahe ein wenig einsam. Nach dem Essen mache ich noch einen Spaziergang in den Ort, in dem sich nicht sehr viel seit 2013 verändert zu haben scheint. Eigentlich hatte ich damals den Eindruck, der Ort sei in einer Art Aufbruch, doch scheint dieser seither nicht wirklich weitergeführt zu haben. Vielleicht ist noch das ein oder andere Gästehaus dazugekommen, aber einige Ecken des Ortes wirken auch ein bisschen unwirtlich.

Da mir ziemlich kalt ist, gehe ich zeitig ins Bett, um mich aufzuwärmen. Markus kündigt an, dass er am nächsten Tag nach Shkodra aufzubrechen versucht. Wir verabreden uns, dort wieder im Hotel Kaduku zu treffen.