Fernreisen mit Fahrzeugen mit EURO-6 Dieseln
Nach langen Recherchen, einigen Telefonaten, Postings in entsprechenden Gruppen und einigen Chats kann ich das Folgende zusammenfassen.
Mit EU-6-Fahrzeugen im außereuropäischen Ausland sieht man sich mit Problemen konfrontiert:
- Ad Blue ist nicht überall auf der Welt erhältlich.
- Der Schwefelgehalt ist in vielen Ländern höher als die vorgeschriebenen 10ppm in der EU.
- Die Motorsteuerung ist auf die gesetzlichen Vorgaben in der EU abgestimmt. Hierfür sind auch Sensoren im Fahrzeug verbaut.
- Ausserhalb Europas und Nordamerikas kennt sich mit den EU6-Dieseln kaum eine Werkstatt aus.
Hier oder hier finden sich die neuesten Weltkarten zum Schwefelgehalt im Diesel als PDF.
Soweit ich bisher in Erfahrung bringen konnte, gibt es folgende Lösungsmöglichkeiten:
- Kein EU6-Auto für Afrika benutzen.
Eine Mehrheit der 4x4-Community wird zustimmen, wobei die betreffenden Leute meistens ältere Diesel oder Benziner fahren.
Ältere Diesel sind nicht so einfach zu bekommen (im Prinzip müsste man nach Fahrzeugen vor 2011 schauen) und/oder haben eben schon ziemliche Laufleistungen runter. Wir entschieden uns gegen diese Lösung, da wir keine Ahnung von Gebrauchtwagen haben und nicht zu den Menschen gehören, die wirklich selbst daran rumschrauben können und wollen. - Einen Benziner anschaffen:
An Benziner-Neuwagen gibt es als Pickups den importierten Toyota Landcruiser GRJ79 Single Cab oder Double Cab, der einen 6-Zylinder-Benziner allerdings ohne Automatik und ohne allzu viel Komfort bietet. Von Offroad-Nestle wird ein Hilux mit ebenfalls dem 6-Zylinder-Benziner importiert, der in einer Comfort-Ausstattung mit Invincible-Design-Elementen ausschliesslich als Double Cab angeboten wird.
Nach einigem Hin- und Herüberlegen haben wir beide Möglichkeiten ausgeschlossen. Die Landcruiser-Variante scheint uns zu unkomfortabel und die Hilux-Variante ist doch im Vergleich zu einen Hilux Diesel in Comfort-Ausstattung einiges teurer und zudem nur als Double Cab zu haben. - Es gibt die Möglichkeit die ECU (Electronic Control Unit) des Autos zu manipulieren und damit Ad Blue/EURO6 zu deaktivieren und darüberhinaus den originalen DPF (Dieselpartikelfilter) mit einem gebrauchten entleerten DPF zu ersetzen. Eventuell braucht es noch andere Maßnahmen (z.B. bezüglich der AGR=Abgasrückführung). Natürlich ist es nicht legal, ein solches Auto innerhalb der EU zu fahren.
Ein solche Lösung für Weltreisen wird z.B. von bushcamper.com oder auch Offroad-Weigler für den Hilux angeboten. - Die Firma o-m.services bietet eine Lösung ausschließlich über eine Manipulation des Steuergeräts an. Der Firmeninhaber Markus Gruse sagte mir, dass man zwischen Original- und geänderter Codierung des Steuergeräts wechseln kann und auch innerhalb von etwa einer halben Stunde die Manipulation am Auto entfernen oder hinzufügen kann. Auf diese Weise kann man vermeiden, mit dem Auto illegal in der EU unterwegs zu sein. Die Änderung bietet auch die Möglichkeit über Ferndiagnose bei Problemen weiterzuhelfen. Dafür muss aber eine Internetverbindung möglich sein und ein jährlicher Flatrate-Vertrag abgeschlossen bzw. eine entsprechende Fallaufwandsentschädigung bezahlt werden.
Beide Lösungen kann ich technisch nicht beurteilen. Es wäre interessant, über eigene Erfahrungen mit solchen Lösungen berichtet zu bekommen.
Gute Beschreibung des Problems und einer Lösung am Beispiel des Ford Ranger
Eine recht verständliche Schilderung des EURO6-Diesel-Problems für Fernreisen habe ich in einem Facebook-Thread in einer dort abgebildeten Werbeseite für den Ford Ranger gefunden, die auf dieses Thema eingeht und auch eine Ford-eigene Lösung vorstellt:
Jet Fuel Compatibility
What happens when a Standard Euro4+ engine runs on high sulfur or non Diesel fuel
- Catalytic converter can become cloaked with contaminants
- Exhaust Gas Recirculation (EGR) cooler can develop acid build up and will build corrosion
- Water could enter to the engine and worst case result in a capital engine failure
- Engine ECU will recognize EGR cooler corrosion and buiild up causing error codes advising to diagnose the error at minimum and often other problems
- Injector and High pressure pump degradation
- Fuel pressure deviation resulting in engine limp home (reduced performance) condition
What does the conversion consist of?
- The catalytic converter is replaced with a non-catalytic muffler system. The EGR valve is blocked with a plate to prevent return exhaust entering the EGR cooler. The cooler itself remains in place.
- A hot climate option is an extra HD fuel cooler to operate F63, JP6 or similar low viscosity fuels.
- Software updates include recalibration of the ECU to deactivate the EGR sensor and delete the error codes from appearing due to the EGR blockage with the plate.
- Recalibration of the ECU allows it to manage operation on various fuels that do not meet the properties of Diesel e.g. F63, JP6.
- Updated calibration is loaded into the Ford aftersales systems so it will be included in any service regular updates conducted via Ford network.
Links zum Thema Fernreisen mit EU6-Diesel-Fahrzeugen
Meine Recherchen im Internet zum Thema Fernreisen mit EU6-Diesel möchte ich im Folgenden unkommentiert auflisten. Es kann sein, dass man zum Lesen vorher auf bestimmten Plattformen angemeldet sein muss oder es sich um Bezahlinhalt handelt:
- Facebook Post von Alf R. Austrheim in diesem Thread:
"Hi! Drove a brand new EU6 version Toyota Land Cruiser LC150 2019 model (same as Toyota Prado) in 2019 from Norway to Ghana. So we had the additinal problem of getting AdBlue. In Morocco AdBlue and low sulphur diesel (10 ppm) was available. Hard or impossible to get by further south. After crossing Mauretania we changed the motoroil at Toyota Dakar. Do use the local motoroil type. It has components that prevent corrosion due to the acidic high sulfur diesel. European spec motoroil lacks that. And do change oil for every 5k km! We had no big problems, but I doubt that the 5 -year warranty from Toyota Norway is valid anymore!" - Matsch & Piste: DER DIESELMOTOR AUF FERNREISE – PROBLEME UND LÖSUNGEN
- Explorer-Magazin: Informativer Artikel zum Thema mit dem Titel: Dieselpartikelfilter nachrüsten? Raus mit dem Ruß! (kostenpflichtiger Inhalt: 1,69€)
- o-m.services: o-m.services oder schaknat.de
- Buschtaxi-Forum: Mit euro6 Hilux unterwegs im Mitten Amerika
- Buschtaxi-Forum: Erfahrungsbericht Fernreisen mit Euro6 Dieselauto
- Namibia-Forum: THEMA: Reparatur Euro 6 in Süd Afrika
- Buschtaxi-Forum: Diesel Hilux fernreisetauglich?
- mc-steuergerät.de: Dieselpartikelfilter deaktivieren (DPF off)
- chipperformance.nl: Tuning: Dieselpartikelfilter / DPF
- extreme-car-design.de: ADBLUE DEAKTIVIEREN (ADBLUE OFF | SCR OFF)
- camper-bauen-Forum: AdBlue Probleme bei PSA Fahrzeugen
- 4x4tripping.com: Moderne Euro5 Diesel-Fahrzeuge auf Weltreisen
- findablue.de
- Facebook-Post
- Facebook-Post
Wofür uns entschieden haben
Wir haben uns letztlich für die Fernreise-Lösung von Markus Gruse, offroad-motorhomes entschieden.
Diese Lösung hat den Vorteil, dass sie mehr oder weniger nur über die Manipulation der Motorelektronik läuft, das heisst, es müssen keine wesentliche Umbauten am Fahrzeug vorgenommen werden, die später wieder rückgebaut werden müssen.
Bei unserem Fahrzeug, dem Hilux, müssen wir unter dem Auto nur die Adblue-Pumpe ziehen. Alles andere erfolgt über die mit einem Flasher selbst einzuspielende manipulierte Motorelektronik-Software.
Hervorzuheben ist, dass man die originale Motorelektronik-Software wieder einspielen kann. Die gesamte Prozedur dauert vielleicht 30 Minuten. So entspricht das Fahrzeug dann auch wieder der europäischen Zulassung.
Damit die Funktionanlität des Adblue-Systems erhalten bleibt, obwohl es deaktiviert ist, schliessen wir circa alle 6 Wochen die Adblue-Pumpe für 10 Minuten Fahrt an und füllen danach dann das verbrauchte Adblue von einem mitgeführten 5l-Kanister nach, so dass das Adblue-System wieder gefüllt ist. Uns hat dieser 5l-Kanister bis nach Namibia gereicht, wo wir in Windhoek einen neuen 5l-Kanister Adblue kaufen konnten.
Die DPF-Regeneration erfolgt bei unserem Hilux alle 150-250km. Man will dann nicht hinter uns herfahren, das qualmt dann schon mal ziemlich weiss-bläulich und ist auch kein olfaktorisches Vergnügen. In Westafrika fällt man damit aber nicht wirklich auf. Wir haben immer geschaut, dass wir die DPF-Regeneration nicht unterbrechen (durch Abstellen des Motors).
Bisher haben wir mit dieser Lösung keine Probleme gehabt.
Ob es auch ohne Änderung der Motorelektronik geht, können wir nicht sagen und wir würden es selbst auch für Westafrika nicht ausprobieren wollen.
Unserem Eindruck nach wird Adblue auch in Westafrika allmählich an einigen Stellen verfügbar. So wurde uns z.B. in Cotonou/Benin von einer Werkstatt Adblue angeboten, ohne dass wir nachgefragt hätten. Wir haben allerdings auf unserer Reise auch nicht nach Adblue gesucht (mit der Ausnahme von Windhoek), so dass wir nicht wirklich etwas über die Verfügbarkeit sagen können.