Dienstag 12.1.2010

Heute kommen wir wieder schwer aus dem Bett, aber der Baulärm ist ein guter Wecker um noch pünktlich zum Frühstück zu kommen.
Wir haben vor, in das Palastmuseum 故宮博物館 Gùgōng bówùguǎn zu fahren. Günter will mitkommen und hat uns angeboten, uns mit dem Auto abzuholen und gemeinsam rauszufahren.

So gegen 11:15 machen wir uns dann los. Das Palastmuseum 故宮博物館 Gùgōng bówùguǎn liegt im Nordosten, wir benötigen ca. 20 Minuten bis dahin. Es ist eine Menge los hier. Viele Reisegruppen, vor allem aus Japan, aber auch aus China, stürmen mit ihren Guides durch das Museum von Highlight zu Highlight; die Plätze vor den begehrtesten Vitrinen sind hart umkämpft. Leider sind viele Ausstellungsräume im Museum gerade geschlossen. Einige hätten wir, nachdem wir uns über einen Übersichtsplan gebeugt hatten und unsere Präferenzen festgelegt hatten, gerne besucht. Schade eigentlich. Einen Grund für die vielen Schliessungen konnte man nicht erkennen.

Wolle erinnert doch einiges von seinem früheren Besuch im Museum - sehr grundlegend verändert hat sich die Präsentation anscheinend nicht. Vielleicht wäre es an der Zeit für das wissenschaftliche Personal des Museums, in der Hinsicht mal etwas Neues zu wagen? Die Präsentation kommt insgesamt doch ein wenig altbacken daher, auch wenn man einige Multimedia-Präsentationen installiert hat, die aber auch nicht wirklich so ganz "state-of-the-art" sind. Aber trotzdem: Wunderschön ist das Porzellan aus der Song- und Yuan-Dynastie von 960-1350. Formen und pastellige Töne, die man sich sofort ins Zimmer stellen würde, regelrecht modern. Schön sind natürlich auch die Kalligraphien und sehr beeindruckend in handwerklicher Hinsicht sind die Schnitzereien. Zum Teil winzig klein mit einem großen Detailreichtum, den man erst mit Hilfe der Lupen erkennen kann und zum Teil so filigran, bspw. bei Efenbeinbehältnissen, dass das Material fast stoffliche Strukturen bekommt, so zierlich sind die durchbrochenen Muster.

So bekommt man nach einiger Zeit doch schon müde Beine und wir gönnen uns im "Teehaus" im vierten Stock eine Pause. Es gibt natürlich grünen Tee, frisch aufgegossen und einige Dimsum. Alles mal wieder recht lecker. Günter muss dann auch los Katharina abholen und wir bleiben noch eine Weile im Museum. Den Rückweg zum Hotel per Minibus und Metro meistern wir ohne Zwischenfälle.

Nach einem kurzen Zwischenstopp im Hotel fahren wir weiter zu Günter und Sheng-ching in die Wohnung und bekommen dort einen Kaffee und kleine ziemlich bunte Törtchen. Gegen 17.45 machen wir uns auf zum Bahnhof und fahren mit der HSR (High Speed Rail) nach 新竹 Hsinchu (Xīnzhú). Der dortige Tempel feiert morgen den Geburtstag seines Stadtgottes und wir wollen die Festvorbereitungen anschauen. Der Schrein des Stadtgottes wird geschmückt und es werden Mengen an Opfergaben dekoriert und aufgetürmt - in erster Linie Früchte und Blumengebinde. Im Vorraum finden Musikdarbietungen statt, zuerst spielen zwei Schulgruppen auf Streich-, Zupf- und sonstigen Instrumenten und begleiten eine blinde Sängerin. Später folgt eine ziemlich schräge Bläser- und Gesangseinlage, von der Wolle mit dem iPhone eine Sequenz aufnimmt.

Zwischendurch gehen wir noch was essen. Praktischerweise ist der Markt direkt neben dem Tempel. Dort gibt es eine lokale Spezialität. Es sind in der Substanz glitschig gummiartige Bällchen aus Reispampe, die mit Fleisch, roten Bohnen und einer riesigen Menge Knoblauch gefüllt sind (肉圓 ròuyuán). Klingt nicht so ist aber doch sehr lecker. Als Nachtisch wählen wir noch einen süsslichen in einem Bananenblatt gegarten Reis mit Nüssen und anderem Zeug dazu. So ganz satt sind wir davon aber noch nicht, so dass wir an einem anderen Stand ein bisschen weiter noch eine Suppe mit Schweinefleischbällchen (摃丸 gongwán) essen, die ein wenig an Weisswurscht erinnern. Verpasst haben wir laut Ching-wen (einem in Hsinchu gebürtigen Wahlschweizer) noch die Reisnudeln, die ebenfalls als Spezialität in 新竹 Hsinchu (Xīnzhú) gelten.

Nach dem wir dann satt sind, kehren wir wieder zum Tempel zurück. Das Aufstellen der Opfergaben ist schon erheblich weiter gediehen. Unter lautstarker musikalischer Untermalung wird heftig diskutiert, wo welche Schale mit welchem Obst wie zu stehen hat. Eine recht unterhaltsame Veranstaltung. So wie es aussieht wird alles gerade rechtzeitig zum Geburtstag des Stadtgottes fertig sein. Einen Umzug mit den zahlreichen Figuren wird es an diesem Tag aber nicht mehr geben, auch wenn Günter das so recherchiert hatte. Das muss er wohl für seinen Taiwan-Reiseführer noch mal überprüfen. Wir machen vom Opferalter zahlreiche Fotos und extra für uns wird das Licht aufgedreht und ein Bänkchen aufgestellt, so dass wir eine optimale Perspektive bekommen und all die schönen Früchte, die einen Querschnitt aller Früchte aus Taiwan repräsentieren, wunderbar ablichten können.

Für uns wird es dann Zeit, wieder nach Taipei zurückzukehren. Zum Schnellzugbahnhof, der etwas ausserhalb liegt, nehmen wir ein Taxi. Der Fahrer fährt trotz des kalten Windzugs mit halb geöffnetem Fenster ziemlich forsch durch die Stadt. Dabei sitzt er zusammengesackt weitgehend bewegungslos hinter dem Lenkrad. Beschallt werden wir mit klassischer Musik. Beim Bezahlen zählt Brigitte erst 10 元 Yuán zu wenig ab. Als Brigitte ihren Irrtum bemerkt und noch weiter 10 元 Yuán dazugibt, huscht ein Lächeln über sein Gesicht. Er lebt also doch!

Wir kommen um Mitternacht in Taipei an und sind erst gegen 1 Uhr im Bett. Urlaub kann manchmal richtig anstrengend sein!

  • Chinesische Musik!

    Wer sich das wirklich antun möchte, der hat hier die Möglichkeit eine kurze Tonaufnahme von den Musikdarbietungen im Stadtgotttempel in Hsinchu zu hören.